Was inneres Spurenlesen ist
Haben Sie, während Sie bis hierhin auf dieser Homepage unterwegs waren, bemerkt, dass Sie atmen? Haben Sie bemerkt, wie Sie standen, saßen oder lagen, wie Ihre Füße oder Teile Ihres Körpers in Kontakt mit dem Boden bzw. dem Untergrund waren, auf dem Sie sich befanden? Wie sich ihr Körpergewicht auf die Kontaktstellen verteilt hat, wie sich die Tastatur Ihres Computers oder das Display Ihres Handys oder Tablets an Ihren Fingerkuppen anfühlte oder wie sich Ihr Arm und Ihre Hand bewegten, wenn Sie getippt, geklickt oder gewischt haben? Wie Ihr übriger Körper Ihren Arm und Ihre Hand dabei unterstützte, sodass Sie tippen, klicken und wischen konnten? Haben Sie einmal den Kopf gehoben, um zu sehen, was um Sie herum ist? Haben Sie den Klang dieser Dinge bemerkt? Oder vielleicht ihren Geruch? Haben Sie dem, was Worte auf dieser Homepage oder Gedanken in Ihrem Kopf in Ihnen angestoßen, bewegt oder berührt haben, nachgespürt und erforscht, wie es sich anfühlt? Hätten Sie sagen können, wie es Ihnen gerade geht oder was Ihr Herzschlag, Ihr Muskeltonus, Ihr Atem über Ihre momentane innere Verfassung kundtun?
Wenn Sie sich mehr Gelassenheit, Wohlbefinden und Energie, bessere Beziehungen oder Gesundheit wünschen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Ihnen einiges von dem, was da war, entgangen ist, während Ihnen anderes womöglich überdeutlich präsent erschien. Oft wird gesagt, dass das menschliche Gehirn so arbeite – sich „von Natur aus“ nur auf bestimmte Dinge fokussiere und alles „Unwichtige“ ausblende. Niemand aber fragt, wie viel wovon ausgeblendet wird und wer oder was bestimmt, was „unwichtig“ ist. Niemand fragt, warum das so ist und welche Folgen es hat. Erst wenn uns daraus Probleme erwachsen, wenn uns etwas zu fehlen scheint oder uns scheinbare Selbstverständlichkeiten nicht oder nicht gut gelingen, schauen wir hin – und sehen doch immer nur bis zum Horizont.
Inneres Spurenlesen erschließt uns die Welt, in der wir leben
Jede Sekunde prasseln rund 11 Millionen Sinneseindrücke auf uns ein und landen in unserem Gehirn. Aus diesen 11 Millionen Sinneseindrücken werden in unserem Oberstübchen überschaubare 40 Eindrücke herausgegriffen und zu der Realität komponiert, die wir erleben. Die Krux dabei ist, dass wir vergleichsweise wenig Mitspracherecht haben, weder hinsichtlich der Wahl der auserwählten Sinneseindrücke, noch in Bezug darauf, wie unser Nervensystem sie verarbeitet. Ein Sinnesreiz und seine Weiterverarbeitung ergeben zusammen das, was ‚Wahrnehmung‘ genannt wird. ‚Wahrnehmen‘ ist deshalb kein Synonym für ‚bemerken‘. Es ist ein Prozess aktiver Auseinandersetzung, wie es im Psychologen-Deutsch so schön heißt, genauer: ein Prozess aktiver Auseinandersetzung insbesondere mit jener Handvoll auserwählter Eindrücke, die „unser Gehirn“ situativ bemerkenswert findet. Über die Lenkung unserer Aufmerksamkeit nehmen im Laufe unseres Lebens zahllose Entitäten in unterschiedlichster Weise auf diesen Prozess Einfluss. Gleiches bewirken die Dinge, die geschehen und die Situationen, die wir durchleben.
Daher kommt u.a. die Binsenweisheit, dass Wahrnehmung individuell ist, was wiederum viele von uns dazu bringt, zu sagen, dass jeder seine eigene Wahrheit habe. Wahrnehmung ist aber eben gerade nicht die Wahrheit. Wahrheit ist nicht das, was „ein Hirn“ aus der Synthese von Sinnesreiz und Weiterverarbeitung macht und für wahr nimmt. Zumal “ein Hirn” das auf zweierlei Weise kann:
- logisch, rational und bewusst überlegend (Verstand, Kognition)
- autonom und automatisch und von Wille und Verstand nicht beeinflussbar (autonome Wahrnehmung, Neurozeption)
Was bedeutet es, im Inneren “Spuren zu lesen”?
Inneres Spurenlesen bedeutet, sich auf die Fährte unserer autonomen Wahrnehmung zu begeben und herauszufinden, was die Dinge, die uns geschehen (und auch die Dinge, die wir bewusst und unbewusst denken) mit uns machen. Inneres Spurenlesen offenbart, zu welchen Reaktionen uns diese Dinge veranlassen. Nur ein Bruchteil dieser Reaktionen ist uns anzusehen oder anzuhören. Die meisten Reaktionen finden ganz im Verborgenen statt. Sie haben mit Neurotransmittern und Hormonausschüttung zu tun, mit dem Auslösen z.B. von Stress und Angst, von Wut, Ekel oder Frustration – aber auch von Freude, von dem Gefühl der Geborgenheit, der Zugehörigkeit, der Harmonie und des Friedens.
Was wir fühlen und empfinden, geschieht uns – und das ist gut so, auch und gerade, wenn es für uns unangenehm ist. Oft neigen wir dazu, Unangenehmes ‘wegzudrücken’, es zu überspielen oder uns davon abzulenken. Was uns unangenehm ist, offenbart jedoch immer einen Mangel an etwas, das wir in der jeweiligen Situation mehr oder weniger dringend brauchen. Je unangenehmer das, was wir fühlen, ist, desto stärker stehen solche Empfindungen mit den autonomen und automatisch ablaufenden “Überlebensprogrammen” unseres Nervensystems in Zusammenhang. Diese Überlebensprogramme – am bekanntesten ist hier die berühmte “Kampf-oder-Flucht-Reaktion” – können in unserem Alltag aktivierter sein, als uns lieb und unserer Gesundheit, unserem Wohlbefinden, unseren Beziehungen und unserer Leistungsfähigkeit zuträglich ist. Und das sogar, ohne dass wir es merken. Denn es gibt innerhalb unserer Überlebensprogramme auch einen “Betäubungsmodus”, der einsetzt, wenn unser Nervensystem überfordert ist. Dann merken wir oft gar nicht, wie belastet wir sind.
Lassen Sie sich das Wichtigste nicht entgehen
Merken wir nicht, wie und wodurch wir belastet sind, funktionieren wir, leben aber nicht – schon gar nicht gut. Wir schlagen uns mit “Launen” herum, mit Gereiztheit und Überforderung, Leistungszwang und Erschöpfung, Burn-out, Schlaflosigkeit oder diversen “psychischen Problemen”, chronischen Erkrankungen und all den Dingen, die wir eigentlich nicht in unserem Leben haben wollen. Verursacht werden diese Dinge aber zumeist weniger von äußeren Gegebenheiten, sondern davon, wie wir autonom und automatisch auf äußere Gegebenheiten reagieren. Inneres Spurenlesen hilft uns, zu diesen Ur-Sachen vorzudringen – und sie dann durch neurosensorisches Training zu beheben. Dieses Training bewirkt eine Re-Organisierung des Nervensystems, sodass es in die Lage versetzt wird, auf die für wahr genommenen Auslöser autonom und automatisch anders zu reagieren – ohne mit Stressreaktionen online zu gehen.
Inneres Spurenlesen ist insoweit unverzichtbarer und unvermeidbarer Teil neurosensorischen Trainings. Es befähigt Sie dazu, als das Bewusstsein, das Sie sind, den Körper, den Sie haben und der Ihnen anvertraut ist, auf der Ebene Ihres autonomen Nervensystems selbst zu gestalten, anstatt es gestalten zu lassen. Inneres Spurenlesen ist dabei sozusagen der “Trick 17”, der Ihnen ermöglicht, die Arbeitsweise Ihre autonomen Nervensystems zu beeinflussen, obwohl Sie mit Ihrem Willen nicht auf dieses System zugreifen können. Das geschieht dadurch, dass Sie im Rahmen von neurosensorischem Training Ihrem autonomen Nervensystem ermöglichen, autonom so zu reagieren, wie es gut, gesund und angemessen für Sie ist. Ein bisschen “verführen” Sie Ihr Nervensystem dazu – im besten Sinne und vor allem, ohne es zu manipulieren.
Inneres Spurenlesen ausprobieren
Im Rahmen neurosensorischen Trainings machen Sie sich inneres Spurenlesen zu einer alltäglichen Gewohnheit. Die Wirkung stellt sich von selbst ein, zugegebenermaßen allerdings nicht über Nacht. Je älter Sie sind, desto länger benötigt Ihr Nervensystem in der Regel, um neue “Datenautobahnen” anzulegen. Dennoch profitieren Sie vom ersten Tag des Trainings an von innerem Spurenlesen – auf vielen Ebenen. Denn Sie gestalten Ihr ‘System’ mit allem, was Sie tun – und anders tun, als bisher.
Am Ende dieses Absatzes finden Sie eine Anleitung für eine kleine Entdeckungsreise in Sachen inneres Spurenlesen. Ich stelle Ihnen eine Kurzversion und eine Langversion der Übung zur Verfügung. Sie können den Text oder das Audio nutzen. Im Audio hören Sie leise Naturgeräusche im Hintergrund, da ich alle Audio-Aufzeichnungen “live” in der Natur anfertige. Ich arbeite grundsätzlich sehr gern natur-, tier- und wildnisgestützt, da Natur viel dazu beiträgt, unser Anbindungssystem (soziales Entspannungssystem, ventrales Vagussystem) online gehen zu lassen. Auf der Basis dieses “Anbindungssystems”, wie ich es nenne, findet die Manifestation all dessen statt, was wir Lebens-Wert nennen.